Niki Passath
27.07.2018 ab 19:00 Uhr
im esc medien kunst labor und in der galerie GALERIE
Kuration und Text: Elisabeth Saubach und Iris Kasper
Schaufenstergalerie SCHARF: Eröffnung: Fr, 22.06.2018, 19.00 Uhr / Dauer: 23.06. - 25.09.2018
esc medien Kunst labor: Eröffnung: Fr, 27.07.2018, 19.00 Uhr / Dauer: 28.07. - 29.08.2018 
galerie GALERIE: Eröffnung: Fr, 27.07.2018, 19.00 Uhr / Dauer: 28.07. - 09.08.2018)
Das Ausstellungsprojekt ist Teil des Architektursommers 2018 (https://www.architektursommer.at/events/theatrum-mundi/) und diskutiert auf unterschiedliche Weise Kunst im öffentlichen Raum.
Koproduktion von contemporary collective graz (Elisabeth Saubach und Iris Kasper), esc medien kunst labor und galerie GALERIE im Rahmen von Architektursommer 2018, Kuratiert von: contemporary collective Graz
Das Ausstellungsprojekt theatrum mundi von Niki Passath untersucht in unterschiedlichen Installationen an drei Orten - in der Schaufenstergalerie SCHARF, im esc medien kunst labor und in der galerie GALERIE - die Entwicklung von Weltmodellen und wie sie sich zukünftig gestalten könnten.
In differenten Wissenschaftsbereichen wurden und werden Modelle der Welt entwickelt: Von der Astronomie und Physik, über die Informatik bis hin zur Philosophie, Psychologie und Mythologie. In den Installationen spielen quantenphysikalische- und mechanische Überlegungen eine entscheidende Rolle, da ihre Ergebnisse deterministische Weltmodelle ad absurdum führen und ein pluralistisch angelegtes Denken von Welt ermöglichen. „Durch Quantenphysik und Quantenmechanik werden viele Gedankenspiele möglich. Quantenphysikalisch ist Gott möglich, Glaube und Naturwissenschaften widersprechen sich also nicht mehr zwangsläufig.“ (Niki Passath)Mit der Entdeckung des Urknalls wurde die Entstehung und Entwicklung des Kosmos nachvollziehbar. Der Astronom Carl Sagan stellte daraufhin 1988 fest: „Für einen Schöpfer bleibt da nichts zu tun.“ Auch der britische Physiker Stephen Hawking meinte im Kontext seiner M-Theorie, die ausgehend von der String-Theorie die Annahme vertritt, es gebe mehrere Universen mit je eigenen Naturgesetzen, ein Universum könne sich selbst erschaffen und sei nicht auf die Intervention eines übernatürlichen Wesens angewiesen. Hawking widmete sich sein ganzes Leben der Suche nach einer alles erklärenden Weltformel die innerhalb der M-Theorie ihren Ausdruck fand: „Man könnte einfach sagen: Die Grenzbedingung des Universums ist, dass es keine Grenze hat. Das Universum wäre völlig in sich abgeschlossen und keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen. Es wäre weder erschaffen noch zerstörbar. Es würde einfach SEIN.“1 (Stephen Hawking) Diese Annahme würde eine/n Schöpfer*in des Universums ausschließen. Inzwischen hat Hawking nicht nur seine früheren Ideen erweitert und einige neue kosmologische Fragen aufgegriffen, sondern er hat seine früheren Hypothesen zum Teil auch wieder revidiert. So meinte er zuletzt, dass der Urknall womöglich doch nicht der Beginn von Raum und Zeit gewesen sei, sondern ein Übergang, die Naturgesetze würden dann seine weitere Entwicklung bestimmen. Auch zur Frage nach Gott gibt es von Hawking verschiedene Statements, so wie: „Diese Gesetze können von Gott erlassen worden sein oder nicht, aber er kann nicht eingreifen und die Gesetze brechen, sonst wären es keine Gesetze. Gott bliebe allenfalls die Freiheit, den Anfangszustand des Universums auszuwählen. Aber selbst hier könnten Gesetze herrschen. Dann hätte Gott überhaupt keine Freiheit.“2 Andere Wissenschaftler aus der theoretischen Physik, wie beispielsweise Max Planck glaubten an das „Walten einer göttlichen Vernunft“ in punkto Entstehung des Kosmos. Nach dem Physiker Anton Zeilinger wird Gott in der Naturwissenschaft wie folgt spürbar: “Es gibt zwei Fragen: Die eine ist die Rolle eines Gottes des Uhrwerks, der das Uhrwerk geschaffen und in Gang gesetzt hat. Mit welchen Anfangsbedingungen wurde dieses Uhrwerk in Gang gesetzt, denn das bedingt die Zukunft. Nach welchen Gesetzen läuft das Uhrwerk? Hier sind Antworten innerhalb der Naturwissenschaft nicht möglich. Die zweite Frage ist, ob es neben dieser Anfangs-bedingungsfrage auch die Möglichkeit gibt, aus Sicht der Naturwissenschaft, einzugreifen. […] Abgesehen davon gibt es sehr wohl Dinge vom Naturwissenschaftlichen her im Naturgeschehen, die kausal nicht erklärbar sind. Das ist der quantenmechanische Einzelprozess, der so genannte Quantensprung, das ist kausal nicht erklärbar.”3 Prinzipiell verändert die Quantenphysik und die Quantenmechanik unser Bild von Wirklichkeit und widerspricht dabei eigentlich unserem Verstand, beispielsweise wenn es darum geht, das ein Ding gleichzeitig an zwei Orten existent sein kann, Zeilinger bemerkt hierzu: “Es gibt die berühmte Verschränkung, wo zwei Teilchen so zusammenhängen, dass die Messung an einem Teilchen den Zustand am anderen Teilchen ändert. Dieses Phänomen bedeutet, dass wir entweder von unseren Vorstellungen über Raum und Zeit Abschied nehmen müssen – oder von unseren Vorstellungen über Wirklichkeit. Oder von beidem. […] Wir brauchen eine neue Weltsicht, bei der wir unsere Vorstellungen von Wirklichkeit und von Raum und Zeit ändern.”4 Zwischen den Bereichen Wissenschaft und Spiritualität lassen sich also Anknüpfungspunkte nachzeichnen und Verbindungslinien innerhalb verschiedener Argumentationen und Hypothesen ziehen, ebenso wie zwischen den Feldern Kunst und Spiritualität. Im Kontext des Verhältnisses differenter Modelle von Welt zueinander ergibt sich ein Berührungspunkt zwischen Kunst und Spiritualität – während spirituelle Modelle von Welt die Relation von beobachtbarer und nicht beobachtbarer Welt in den Blick nehmen und damit je nach kulturellen Zusammenhang und Doktrin verschiedene Versionen der Beziehung zwischen Immanenz und Transzendenz formen, kann die Kunst den Modellcharakter ihrer Entwürfe betonen.5 Innerhalb einer Gesellschaft prallen differente Modelle von Welt aufeinander – dabei geht es um verschiedene Ansätze „Welt“ zu denken, die nebeneinander bestehen, teils in harmonischer, teils in polarisierender Beziehung zueinander. Bedeutungen und Wertigkeiten sind keinesfalls festgeschrieben, sondern unterstehen, sowie per se Identität, einem permanenten Wandel. Dabei zu beachten ist das „kopernikanische Paradigma”“6 in dem sich das Weltmodell und das Weltbild gleichsam durchsetzen, aber nicht mehr aufeinander projizierbar sind. Die Installationen lassen sich, via ihres rhizomatischen Aufbaus, mit der Konstruktion eines organischen Weltmodells vergleichen: “Sie konstituieren eine Welt kontinuierlicher und ungelenkter Veränderungen, in der alle Teile integraler Bestandteil des Ganzen sind […]. Organische Weltmodelle sind daher anti-dualistisch, sie überwinden den Hauptwiderspruch des abendländischen Denkens, d.h. den Gegensatz von Materie und Geist, Leib und Seele.“7 Kunst wird in diesem Sinn als Labor definiert in dem immer wieder aufs Neue ein sinnstiftender Beitrag zu einem aktuellen geistigen Weltmodell entwickelt werden kann. Niki Passath versinnbildlicht, durch seine im Raum in Bewegung versetzten Objekte, den Wandel von Weltmodellen und realisiert im esc mkl, der galerie GALERIE und in der Schaufenstergalerie SCHARF jeweils ortsspezifische Installationen. Um mit Tony Maslić zu sprechen: “His work accumulates in a synthesis of speculations and observations, and develops an insight almost like a premonition of a possible future, but without losing its allusive and elegant poetic characteristics. […] Occasionally dystopian but always thought provoking.”.8 Der Theateraspekt ist ein prägnantes Element der Installationen theatrum mundi – über die architektonische Öffnung des Raumes des esc mkl, durch den öffentlichen Raum hindurch, bis in die Ausstellungsräume der galerie GALERIE. Die Architektur des Raumes wird zu einem konzeptionellen Ausgangspunkt der Installationen. Die Schaufenstergalerie SCHARF bewegt sich in ihrem kuratorischen Konzept prinzipiell an der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Raum und dem White Cube. Die Glasflächen, die das esc medien kunst labor und die galerie GALERIE beinahe von allen Seiten durchlässig für die Blicke von Passant*innen machen, öffnen den Ausstellungsraum in den öffentlichen Raum und machen die passive Partizipation der Fußgänger*innen zu einem vervollständigenden Aspekt der Installation. So wird im esc mkl während der Sommermonate der Ausstellungsraum von Innen nach Außen transferiert und die Straße beziehungsweise der öffentliche Raum wird zum Ausstellungsraum. Beide Ausstellungsorte in der Bürgergasse zusammen werden über das Licht zu einer Art Bühne für die Objekte. Zahnräder bewegen Objekte über selbstlaufende Motoren in einem unaufhörlichen Auf und Ab – zugleich drehen sich auf zwei Ebenen zwei weitere Holzkonstruktionen um ihre eigenen Achsen und um die einzelnen Objekte. In sich verweist die kreisende Bewegung auf das Organische in der Konstruktion von Weltmodellen – wobei das Objekt auf visueller Ebene anthropozentrisch anstatt heliozentrisch anmutet: Erinnert es, in der Mitte aus Zahnrädern, nicht doch an eine*n Tänzer*in? Im Tanz der Modelle bleibt die Frage nach den Akteur*innen offen. So könnten diese Objekte auch als eine implizite Kritik verstanden werden am anthropozentrischen Weltmodell, in welchem der Mensch zum Maß aller Dinger erhoben wurde. „Es gibt also auch nicht die absolute Position. Ich würde die Starrheit dieser Gedankenwelten gerne aufbrechen. […] Das Weltbild muss nicht immer so strikt definiert sein, gerade die Übergänge sind das Interessante.“ (Niki Passath). Unregelmäßiges ruckartiges Zucken markiert Unstimmigkeiten im System der Konstruktion, die den fortlaufenden Prozess jedoch nicht stoppen. Der Moment des Zufalls in dem ein Werk entsteht – ein Farbtropfen, ein Zucken, die Berührung der Leinwand durch Teile der Maschine – und die Maschine hinterlässt ihren eigenen Abdruck und bricht über den Zufall aus dem System der Konstruktion – dem System des Algorhythmus – aus. Erst diese unvorhersehbaren “Ausbrüche” generieren und stimulieren das emotionale und damit poetische Potential der Installationen. Die Hinterfragung des anthropozentrischen Weltmodells findet seine Fortsetzung in der Infragestellung von Autonomie und Autorschaft, per se innerhalb der Kunst und Kunstentstehung – aber auch im Kontext eines neoliberal - kapitalistischen Weltmodells, über die selbstlaufenden und robotischen Elemente der Installationen. Der provokative Aspekt ist eine weitere konzeptuelle Konstante der Installationen von Niki Passath – im Theater der konstruierten Weltmodelle tanzt das Objekt, gelesen als Mittelpunkt von Allem, auf der Bühne der unbegrenzten Möglichkeiten – oder sind sie doch begrenzt – wenn doch vom Künstler konstruiert? Auch das Modell der Zeit – eine robotisch, symbiotische Kreidezeichnung die als work in progress über die Dauer der Ausstellung mitlaufen wird, verweist auf das vom Menschen konstruierte Modell (wobei erst in der Anomalie, der Imperfektion – oder auch dem Quantensprung – die Vollständigkeit des Modells verborgen liegt). Die Gemälde, welche die Objekte und Bodenmarkierungen des esc mkl mit den Räumen der galerie GALERIE innerhalb der raumgreifenden Installation verbinden, bilden eine Art Kulisse – eine Art, teils digitalisiertes und robotisches Diorama – eine Landschaft vor deren Vordergrund die Objekte in ihren Formationen tanzen. Sie sind aufgebaut in zeitlich voneinander entfernten, aber immer zugleich entstandenen Schichten aus Farbflächen, handgezeichneten Linien, digitalen Prints einer Berglandschaft sowie der Objekte der Installationen und robotisch, symbiotischen Elementen. Diese Werke hinterfragen subversiv die Rolle des Künstlers in einer hochtechnologisierten und digitalisierten Welt, aber sie hinterfragen auch Ritualisierungen als globales Phänomen im Kontext alltäglicher Erfahrung. Verlieren wir im digitalen immer schneller werdenden Strudel unserer Zeit – auch über die Technologie – das Ritual in seiner gesellschaftlichen Relevanz? Die repetitiven Muster der einzelnen Installationselemente – der Aufbau in mehreren Schichten und die sich wiederholende Bewegung der Totemobjekte – reflektieren per se auf die Ritualisierung, welche über die Inszenierung der Objekte via Licht und Bodenmarkierungen, innerhalb der Installation im esc mkl, noch einmal unterstrichen wird. Die Markierungen auf den Bodenplatten des Ausstellungsraumes verbinden ebenso die unterschiedlichen Layer der Installation. Das Organische der Installationen lässt sich wiederum mit dem Ansatz der Quantenphysik verknüpfen. Gerade im “Sowohl als Auch” liegt hier das entscheidende Moment der Installationen – in der ruckartigen Bewegung – in der Imperfektion und über die performative, generative Ästhetik entfaltet sich dieses Moment. Auch die Ausdehnung des Projekts auf mehrere Ausstellungsorte verdeutlicht diesen konzeptuellen Ansatz: Während sich in diesem Moment zwei Objekte fixiert in den Schaufenstern der Schaufenstergalerie SCHARF bewegen, tanzen hier im esc mkl, korrelierend mit den Gemälden in der galerie GALERIE, vier Objekte durch den Raum. Eine Welle und zugleich in der Beobachtung fixierte Teilchen suggerierend, verweisen die Installationen explizit auf Ansätze der Quantenphysik: Sie referieren auf die Fähigkeit sowohl Welle als Teilchen sein zu können und auf die Möglichkeit an zwei Orten zugleich existent sein zu können.
1Stephen Hawking, zit. nach: Michael Odenwald, Stephen Hawkings 70. Geburtrstag - Genie auf Augenhöhe mit Albert Einstein, 08.01.2012, Quelle: https://www.focus.de
2Stephen Hawking, zit. nach: Michael Odenwald, Stephen Hawkings 70. Geburtrstag - Genie auf Augenhöhe mit Albert Einstein, 08.01.2012, Quelle: https://www.focus.de
3Anton Zeilinger zit. nach: Anton Zeilinger und Michael Landau im Gespräch mit Kurier-Autorin Gabriele Kuhn, Naturwissenschaft und Glaube - ein Widerspruch? Ein Priester und ein Quantenphysiker reden über Gott und die Welt, Kurier, 24.12.2013, Quelle: https://kurier.at/stars/naturwissenschaft-und-glaube-ein-widerspruch/41....
4Anton Zeilinger im Gespräch mit Gerlinde Wallner, Sommergespräch, Katholische Kirche, Erzdiözese Wien, Quelle: https://www.erzdioezesewien.at/site/home/nachrichten/article/51744.html
5Vgl. Quelle: https://www.uni-salzburg.at/ [Einführende Worte zu einem Vortrag von Rüdiger Lohlker, „Einheit, Immanenz, Transzendenz und Barmherzigkeit im islamischen Denken“ im Rahmen der Ringvorlesung „Transzendenzvorstellungen in Kunst, Literatur, Religion“, Vortrag am 12.06.2017, Beitrag veröffentlicht am 03.04.2017
6Aura Heydenreich, Vom astronomischen Weltmodell zum literarischen Weltbild: Johannes Keplers „Somnium“ zwischen faktualer Kosmographie und fiktionaler Selenographie – mit einem Kommentar zu Durs Grünbein „Cyrano oder Die Rückkehr vom Mond“, in: Der Himmel als transkultureller, ethischer Raum, Harald Lesch u.a. (Hrsg.), Göttingen 2016, S.333 – 371, hier: S.366.
7 Isabel Wünsche, Naturerfahrung als künstlerische Methode: Organische Visionen in der Kunst der klassischen Moderne, in: Industriealisierung Technologisierung von Kunst und Wissenschaft, Elke Bippus u.a. (Hrsg.), Bielefeld 2005, S.86-112, hier: S.86-87.
8 Tony Maslic, Preface, o.s., in: Niki Passath – Thinking Like A Machine – An Artists Journey Into Robotics, Walter de Gruyter, Berlin / Boston, 2017
9 Zitate des Künstlers: Niki Passath im Interview mit Anna Maria Burgstaller, 2016, Quelle: http://www.artandsignature.com/blog/2015/11/25/niki-passath-%E2%80%A2-interview/
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